von Ursula Grieser-Röhl
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19. August 2021
Seit 2009 gilt auch in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention. In Artikel 19 wird ebenso wie allen anderen Menschen mit Behinderung das Recht, zu wohnen wo und mit wem sie wollen bekräftigt. Doch das ist in der Praxis im Jahr 2021 immer noch nicht ganz so einfach. Eine Fallgeschichte. Alice (Name geändert) trifft es hart, als im Frühjahr 2020 die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beim Heim, in dem sie lebt, wegen Corona geschlossen wird. Sie fühlt sich vernachlässigt, viel zu oft ist ihr langweilig und sie reagiert mit Rückzug. Auch die regelmäßigen Besuche der Mutter werden wegen den Corona-Regeln immer schwieriger, so dass die Mutter beschließt, sie für einige Zeit mit nach Hause zu nehmen. Die Tochter blüht auf, hat wieder Freude am Leben und ist mit Elan im Alltag dabei. Der Mutter, mittlerweile mit mehr Zeit ausgestattet, kommt der Gedanke, dass es Alice zu Hause bei ihr auch auf Dauer sehr gut gehen könnte. Allerdings ist ihr klar, dass sie diese Aufgabe nicht ganz allein stemmen kann. Außerdem ist Alice eine andere Generation und interessiert sich in der Freizeit für andere Vergnügungen als die Mutter. Beide hören von der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) und bitten um ein Gespräch. Schnell wird klar, dass als Alternative zum Heim ein Persönliches Budget (PB) möglich wäre, um auch im Haushalt der Mutter die gewünschte Unterstützung zu erhalten. Sie finden das Arbeitgebermodell im PB für sich am passendsten. Bei dieser Variante können die Assistenten selbst ausgesucht und angestellt werden. Die Organisation der Hilfen muss dabei selbst gestemmt werden. Wer dazu nicht in der Lage ist und keinen gesetzlichen Betreuer hat, hat aber Anrecht auf eine Budgetassistenz, d.h. man bekommt diese Hilfen ebenfalls bezahlt. Das Beraterteam aus Ursula Grieser-Röhl, Sozialarbeiterin und Oliver Straub, selbst Arbeitgeber mit Persönlichen Budget erklären den Ablauf der Antragstellung in der Praxis und unterstützten die Mutter bei der Formulierung welche Hilfen gebraucht werden und bei einer ersten Kalkulation der entstehenden Kosten. Dabei kommt es unter anderem darauf an, ob eine einfache Assistenz ausreicht oder ausgebildetes Fachpersonal benötigt wird. Außerdem hat die EUTB Tipps, wo und wie man sich selbst Assistenten suchen kann. Dabei ist die eigene Erfahrung von EUTB-Berater Oliver Straub besonders hilfreich. Unter anderem kann man den Bedarf in Zeitungsannoncen, bei ebay Kleinanzeigen bekannt machen, manchmal können es auch ein einfaches nachbarschaftliches Gespräch sein, das weiterbringt. Außerdem gibt es auch regionale und überregionale Assistenzplattformen, die bei der Suche Erfolg versprechen. Auch wegen Corona hat es einige Monate gedauert, bis die Hilfen endlich anlaufen konnten. Davor mussten mehrere Gespräche mit der zuständigen Fallmanagerin des Landratsamts bewältigt werden als es um die Hilfeplanung der Behörde und die Höhe des benötigten Budgets ging. Auch dabei konnte Oliver Straub wieder, teilweise im Dreiertelefonat, Alices Mutter unterstützen. Wo kann man sich vor Ort über das Persönliche Budget/ persönliche Assistenzleistungen informieren? Neben der Ansprechstelle der Eingliederungshilfe, die die Maßnahme in der Regel bezahlt, kann man sich bei der unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) informieren lassen. Eine dritte Möglichkeit ist es, sich bei einem Anbieter von Assistenzleistungen informieren zu lassen. Für den Antragsteller gilt: Je besser man über das Prozedere Bescheid weiß und je genauer man seine Bedarfe und Ziele formulieren kann, desto zügiger kann die Hilfebedarfserhebung durch den Kostenträger bewältigt werden und desto schneller können die benötigten Hilfen bewilligt und ausgezahlt werden. Fazit: Man muss aktiv werden und sich über seine Rechte und Möglichkeiten informieren lassen. Mit etwas Mut, Geduld und Ausdauer wird der Weg für eine individuelle Lebensführung in mehr Selbstbestimmung geebnet. Weitere Informationen: Zum Persönlichen Budget/Assistenzleistungen: https://www.bmas.de/DE/Themen/Teilhabe-Inklusion/Persoenliches-Budget/persoenliches-budget.htm l https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/bthg-kompass/bk-schnittstellen/eingliederungshilfe-gesetzliche-pflegeversicherung-hilfe-zur-pflege/fda-1051/ Zur EUTB: www.teilhabeberatung.de www.eutb-rv-sig.de Zur Ansprechstelle der Eingliederungshilfe: https://www.rv.de/Leben+im+Landkreis+_+Buergerservice/Soziales+_+Versorgung/Eingliederungshilfe Assistenzleistungsanbieter stellen Assistenten zur Verfügung und organisieren alle Details Assistenzplattformen: www.assistenz.de ; https://ava.services ; www.assistenztreff.de